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Katzenfreundschaft(en)
von
Jana Veit
(14)
Ein schrecklicher Umzug
Als ich eines Morgens aufwachte und aus dem Fenster blickte, regnete
es wie aus Eimern. ,,Na prima, Regen, pfui", dachte ich, ,,das wird
bestimmt kein guter Tag."
Aber jetzt musste ich erst einmal die anderen aufwecken. Zu Beginn natürlich
meinen Bruder und gleichzeitig besten Freund: Rolli. Der Name passte
zu ihm, denn er war, na ja, ein richtiger Fettsack eben. Wenn er so weiter
fressen würde, könnte er sich bald nur noch rollend fortbewegen.
Also mal an die Arbeit: Ich lief ein paar Schritte zurück, ging
auf Startposition, streckte meinen Po in die Luft (wie es Mama beigebracht
hatte), schrie laut ,,Abschuss!" und sprang mit viel Karacho auf
meinen besten Freund.
Die Folge war eine weniger freundliche Begrüßung:,,Spinnst
du, Alter? Wir haben zwölf Uhr und du weckst mich? Hast du nicht
mehr alle Näpfe voll oder was?"
,,An deiner Stelle würde ich mich langsam mal zusammennehmen und
aufstehen. Die Milchbar kommt", sagte ich. Bei diesem Satz war Rolli
plötzlich hellwach. Die Milchbar (unsere Mutter) bedeutete für
ihn nämlich schlabbern nach Herzenslust. Inzwischen waren unsere
anderen Geschwister auch schon aufgewacht und das übliche Drängeln
an der Milchbar begann.
Wir hatten bereits einige Male dieses papsige Futter aus der Dose zum
Fressen bekommen, aber es gab einfach nichts, dass mit der warmen Muttermilch
mithalten konnte.
Glücklich ließ ich mir den weichen, wohligen Geschmack, der
etwas von Geborgenheit an sich hatte, auf der Zunge zergehen, ohne zu
ahnen, dass dies zum letzten Mal in meinem Leben geschah.
Ab und zu leckte uns unsere Mutter liebevoll und zärtlich mit ihrer
warmen Zunge über die kleinen Köpfchen und stupste Rollis dickes
Bäuchlein mit ihrer weichen Nasenspitze an, dieser jedoch dachte
gar nicht daran mit dem Trinken zu enden und so lächelte sie bloß und
schnurrte zufrieden weiter.
Leider regnete es immer noch, das war ein sehr schlechtes Zeichen.
-
Dass ich mit dieser Vermutung richtig lag, erfuhr ich am Nachmittag.
Rolli, Moni, Nelli und ich hatten gerade aufgegeben das kleine, braune
Schränkchen mit den Leckerlies zu öffnen und waren damit beschäftigt
unser Spiel mit der bunten Stoffmaus zu spielen. Ich befand mich kurz
davor, sie den flinken Mädels wegzuschnappen, als plötzlich
ein schrilles ,,Ding - Dong" aus Richtung Tür ertönte.
Unser Spiel schien zu erstarren, niemand rührte sich, bis: ,,Guten
Tag!" - eine fremde Stimme.
,,Die Entführer!", schrie Moni und versteckte sich unter dem
kleinen Leckerlieschrank. Nelli rannte hinterher. ,,Alarm, Alarm! Hilfe,
die Entführer kommen!", rief Rolli erschrocken und blickte
sich nach mir um. ,,Benni, versteck dich!" Er kroch unter ein kleines
Kissen. Weil mir nichts Besseres einfiel, wollte ich mich zu ihm quetschen.
Das war ein Fehler.
Rolli war zu fett. ,,Mach Platz da!", brüllte ich ihn panisch
an. Als ich gerade den Kopf unter das Kissen gesteckt hatte, wurde ich
unsanft von einem Mann hochgerissen. ,,Hey, Kleiner, bleib da!",
sagte eine Person, deren Geruch mir völlig fremd war.
,,Oh nein", dachte ich. Jetzt war ich verloren. Das letzte Mal
als die Entführer da gewesen waren, hatten sie Milli von uns gerissen.
Von diesem Tag an hatten wir Milli nie wieder gesehen.
Die Person öffnete einen kleinen Käfig. Milli hatten sie damals
auch in so ein Ding gestopft. Voller Panik schlug ich mit den Pfoten
um mich. Nein! Es durfte nicht noch einmal geschehen. Nein!
Doch schwub-di-wub war ich in dem Gefängnis drin und die Öffnung
wurde mit einem Gitter geschlossen.
,,Hilfe!", schrie ich, ,,lasst mich hier raus!" Ich hatte
panische Angst. Ich kratzte an dem Gitter, warf mich dagegen, nichts
half. Hektisch drehte ich mich nach links, nach rechts, aber ich fand
keinen weiteren Ausgang.
,,Rolli, hilf mir! Ich will hier raus!"
Zwei Menschen unterhielten sich:,,Sind Sie sich wirklich sicher? ...
Gut, dann viel Spaß mit ihm", dies sagte die Frau, die immer
mit uns gespielt hatte.
,,Rolli!", brüllte ich, ,,Hilfe! Hilf mir!"
Der Käfig wurde hochgehoben. Ich rutschte zur Seite und stieß mir
den Kopf mit einem lauten Rums an der harten Plastikwand. Ich versuchte,
durch das Gitter zu schauen, doch der Käfig schwankte so heftig
hin und her, dass mir ganz übel wurde und ich nur noch verschwommen
sah.
,,Nein, ich will hier raus!"
Der fiese, fremde Mann sagte:,,Gut, dann vielen Dank."
Ich merkte wie ich Treppen hinunter getragen wurde und nahm den Geruch
der Blumen und Gräser wahr. Von fern hörte ich Vogelgezwitscher.
Es ist zu spät, sagte ich mir. Wir waren schon im Freien.
Plötzlich durchdrang ein Fauchen das Gezwitscher. ,,Au!",
rief der Mann und drehte sich um.
,,Rolli, lass das!", schimpfte jemand.
,,Miiiaauuuu", heulte Rolli.
,,Du lässt dich jetzt gefälligst hochheben! Zurück ins
Haus mit dir!", befahl die Frauenstimme. Der Käfig wurde auf
einem Sitz, der sich in einer dieser fahrenden Maschinen der Zweibeiner
befinden musste, abgestellt.
,,Rolli! Rolli!", kreischte ich. Was konnte ich nur tun? Wie konnte
ich nur zu ihm gelangen?
,,Nein! Nein! BENNI!", hörte ich meinen besten Freund verzweifelt
schreien.
Mit einem lauten Knall wurde eine Tür vor meinen Augen zugeschlagen
und weg war es, mein altes liebevolles Zuhause. Benommen starrte ich
geradeaus. Es konnte nicht wahr sein, das durfte einfach nicht die Wirklichtkeit
sein.
Konnte das gemütliche Leben denn so ein abruptes Ende nehmen? Ein
Ende ohne Abschied? Mama hatte schon oft davon gesprochen, von dem neuen
Leben, das uns bald erwarten würde. Doch ich wollte kein neues Leben.
Nicht alleine und einsam. Ich hatte doch alle so gemocht und so viel
Spaß mit ihnen gehabt. So viele schöne Momente. Sollte nun
alles vorbei sein? Wohin entführte der Mann mich? Wie sollte es
weitergehen? Ich hatte keine Vorstellungen. Ging es überhaupt weiter?
Das waren viel zu viele Gedanken für den Kopf eines kleinen Katers,
der fast noch ein Baby war.
Ich fing an zu schniefen. Ich wollte zurück. Nur zurück. Zu
Mama, zu Nelli, zu Moni und vor allem zu Rolli.
Doch den Gefallen tat man mir nicht.
Dies ist das erste Kapitel aus Jana's Buch Katzenfreundschaften, das
bald erscheinen wird und hier:
http://papierfresserchen.biz/unsere-autorinnen-autoren/t-z/veit-jana/
vorbestellt werden kann.
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